Def.: Ein Erlebnis ist etwas, das sich von sich aus offen, unbedingt und vollständig zeigt.
Def.: Die Welt ist die Vereinigung aller Erlebnisse.
Def.: Ein Erlebnis E heißt ein Gedanke an ein Erlebnis F oder kurz ein Gedanke genau dann, wenn es ein Erlebnis F gibt, so dass sich E auf F bezieht. (Anm.: Auch wenn ein Gedanke "so tut" als ob er sich auf etwas außer ihm beziehen kann, verbleibt die Bezugnahme eigentlich innerhalb des Erlebnisses. Wir werden später sehen, warum diese Täuschung kein Problem darstellt, warum also ein aus dem Erlebnis hinausweisender Bezug angenommen werden darf.)
Def.: Ein Erlebnis E heißt ein Bild eines Erlebnisses F oder kurz ein Bild genau dann, wenn es ein Erlebnis F gibt, so dass E der Schnitt aller Gedanken an F ist. (Anm.: Durch den Schnitt wird das Wie des Bezugs vom Gedanken abgestreift.)
Def.: Ein Erlebnis E heißt eine Erinnerung an ein Erlebnis F oder kurz eine Erinnerung genau dann, wenn E ein Gedanke an F ist, der sich auf F bezieht mittels Hat-stattgefunden. (Anm.: Die Bedeutung des Bezugs erschöpft sich eigentlich im Erlebnis selbst. Sie ist genau das, wie es sich anfühlt, von etwas zu meinen, es habe stattgefunden.)
Def.: Ein Erlebnis E heißt bewusst genau dann, wenn es einen Gedanken an E gibt, der sich auf E bezieht mittels Findet-gerade-statt. (Anm.: Zum bewusst-Sein von E ist es nicht erforderlich, dass der Gedanke selbst bewusst sei.)
Def.: Ein Erlebnis E heißt personal genau dann, wenn es einen Gedanken an E gibt, der sich auf E bezieht mittels bin-Ich oder habe-Ich. (Anm.: Ein personales Erlebnis, das eine Erinnerung an ein personales Erlebnis enthält, bildet den Anfang für eine ganz normale Person wie du und ich.)
In Abhängigkeit davon, was erlebt wird, schließt man gewöhnlich auf das Vorhandensein unterschiedlicher Gegenstände. Darüber hinaus schließt man ganz unabhängig davon, was erlebt wird, auf das Vorhandensein eines Subjekts. Ein Subjekt wird folglich als notwendig für Erlebnisse angenommen, d.h. Erlebnisse ohne Subjekt nicht für möglich gehalten.
Wenn in diesem Artikel die Rede von einem Erlebnis ist, soll alles, was ein Subjekt dem Erlebnis an Erlebbarem hinzufügt, bereits mitgemeint sein, so dass keine Notwendigkeit mehr besteht, einen Anteil des Subjekts zu berücksichtigen, der das Erlebnis transzendiert. Je nach dem, was der Leser unter einem Subjekt versteht, kann diese Vereinbarung zur Folge haben, dass Gedanken, Gefühle und Erinnerungen als Teile eines Erlebnisses anzusehen sind. Man spricht davon, dass alles Erlebbare vom Subjekt abgestreift wird. Falls von der Vorstellung ausgegangen wird, dass mehrere verschiedene Erlebnisse ein und dasselbe Subjekt haben können, hat die Vereinbarung zur Folge, dass das Subjekt zersplittert, also ein Subjekt auf mehrere Erlebnisse verteilt wird.
Das Erlebnis hat mit Raum und Zeit nur soviel zu tun, als es sein eigenes Hier und Jetzt mitbringt. Das Erlebnis beginnt nicht. Höchstens wird erlebt, dass etwas beginnt, das im Erlebnis ist. Das Erlebnis endet nicht. Höchstens wird erlebt, dass etwas endet, das im Erlebnis ist. Insofern hat ein Erlebnis weder Anfang noch Ende. Ein Erlebnis dauert nicht an. Höchstens wird erlebt, dass etwas andauert, das im Erlebnis ist.
Aus der Metaphysik nehmen wir das Prinzip, dass am Nichts jedes Etwas in alles andere gestreut wird. Nimmt man diesen Augenblick als Etwas her, bedeutet das:
Glaubenssatz „Vollständig“: Es gibt alle Erlebnisse.
Folgerungen und Interpretation
Die Innenwelt des Menschen besteht aus Augenblicken, deren Zusammenhang untereinander ausschließlich mittels der Erinnerung hergestellt wird. Eine Person im Sinne eines zeitlich andauernden Objekts ist nicht notwendig.Die Existenz anderer Menschen ergibt sich zwanglos bereits aus dem Glaubenssatz „Vollständig“. Zombies gibt es hingegen nicht.
Wenn es auch nur zwei verschiedene Erlebnisse gibt, auf die der Bezug der Erinnerung passt, ist die Vergangenheit nicht eindeutig. Je unschärfer die Erinnerung, d.h. je weniger bestimmt der Bezug der Erinnerung, umso mehrdeutiger ist die Vergangenheit.
Menschen kommunizieren nur scheinbar miteinander. Tatsächlich gibt es im speziellen Fall des miteinander Sprechens zwei Erlebnisse – für jeden Gesprächspartner eines – die zueinander in der Weise passen, dass in dem einen ein Mensch sich aus seiner Perspektive sprechend erlebt und in dem anderen ein Mensch sich aus seiner Perspektive hörend erlebt, was der andere sagt. Diese Übereinkunft ergibt sich unmittelbar aus dem Glaubenssatz „Vollständig“.
Aus dem Glaubenssatz „Vollständig“ ergibt sich die Existenz beliebig später Erlebnisse, insbesondere ein Leben nach dem Tod.
Die Hirnforschung ist auf dem besten Wege das, was Sie Erlebnisse nennen, zu erklären oder - vorsichtiger ausgedrückt - zu beschreiben. Wieso meinen Sie, dass dass einige Aspekte der Erlebnisse wissenschaftlicher Untersuchung prinzipiell verschlossen bleiben müssen?
AntwortenLöschenDas klingt im Text zwar nicht explizit an, aber ich vermute, dass manche Aspekte nicht kommuniziert werden können. Das halte ich aber für eine notwendige Voraussetzung, um sie erforschen zu können.
LöschenErfrischend zu lesen... Mal was anderes als dieser Anti-Psychismus, der wegen kontingent verstandener Resultate der Hirnforschung zur Zeit kursiert.
AntwortenLöschenÄhnliche Ideen finden sich bei Ernst Mach (Antimetaphysische Vorbemerkungen).
AntwortenLöschenAlles schön und gut, wenn man die Glaubenssätze anerkennt. Wo aber kommen die denn her? Und wo ist der Unterschied zwischen "jedes Erlebnis existiert" und "jedes vorstellbare Erlebnis existiert"? Ersteres ist doch allgemeiner und hätte alleine schon ausgereicht.
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